Paul Pry war Steuermann auf der "Lydia". Er hatte seinen Hund von Neufundland mitgebracht. Dort an den felsigen Küsten im grauen Norden lebten viele dieser Hunde. Sie halfen den Fischern, Boote und Netze an Land zu holen, halfen den Holzfällern, ihre schweren Lasten zum Wasser zu ziehen. Wie und wann diese großen Schlappohr-Riesen auf die kalte Insel im Norden kamen, darüber gibt es viele Legenden.

Zweimal zog ihn sein Hund aus stürmischer See, das erste Mal gerade noch rechtzeitig, das zweite Mal nicht. Paul Pry war tot. Seitdem lebte "Paul Pry's Hund" allein im Hafen. Er lag auf der Kaimauer, wartete, rettete "Schiffbrüchige". Die britische Lebensrettungsgesellschaft ernannte ihn zum Ehrenmitglied und sorgte für sein "tägliches Brot".

Sir Edwin Landseer malte ihn als "Ein Ehrenwertes Mitglied der menschlichen Gesellschaft". Das war 1831 in England.

Und deshalb heißen diese weißen Hunde mit den schwarzen Platten, die aussehen wie Paul Pry's Hund "Landseer".

Vor 100 Jahren etwa war "Paul Pry's weiß-schwarzer Hund" fast vergessen und überlebte nur noch als nicht gern gesehene "Fehlfarbe" in ansonsten reinschwarzen Neufundländer-Würfen. Doch er hatte treue Anhänger auf dem Kontinent. Die standen zu ihrem "Landseer" und züchteten ihn weiter. Und sie erreichten, dass er 1960 als eigenständige Rasse anerkannt wurde. Seitdem gibt es "Paul Pry's Hund" offiziell als zwei Rassen. Es gibt ihn als "schwarz-weißen Neufundländer, Ursprungsland: Kanada, FCI-Standard Nr. 50" und als "weiß-schwarzen Landseer kontinental-europäischen Typs, Ursprungsland: Schweiz und Deutschland, FCI-Standard Nr. 226". Was ist der Unterschied zwischen einem modernen "Neufundländer" und einem modernen , "Landseer"? Beide Rassen unterscheiden sich nicht nur äußerlich: der Neufundländer etwas niedriger, kompakter, der Landseer hochbeiniger, beweglicher. Sie unterscheiden sich vor allem im Wesen: Ein Neufundländer ist wirklich ein "Bär", selbstzufrieden, gelassen, gemütlich, tolerant, und wenn ihn irgendetwas aus der Ruhe bringen soll, dann muss dieses Etwas aus Sicht eines Neufundländers schon wirklich "echt empörend" sein. Ein Landseer dagegen ist temperamentvoller, wacher, reagibler. Er ist - dem Wesen nach - ein "Hirtenhund" geblieben. Er braucht zwar - wie die anderen großen Hirtenhunde (neudeutsch: "Herdenschutzhunde") auch - keinen Hirten und keine Schafherde um sich. Aber er braucht vom ersten Tag an einen Partner neben sich, der ihn als "Junior-Partner mit bestimmten Rechten und Pflichten" akzeptiert, der aber immer weiß, was er will und was nicht, und der dies auch mit Konsequenz und Humor durchsetzt. Und er braucht ein Haus mit lauter offenen Türen und einen Garten mit einem Zaun drum herum. Ein Landseer braucht ein klar umrissenes Revier mit deutlichen Grenzen, innerhalb derer er sich jederzeit frei bewegen darf und mit seinem "Rudel" "mitwandeln" kann. Er sucht ein Revier und Arbeit. Ein Landseer braucht klare Verhältnisse und einen Partner, der ihm die Welt und seine Grenzen zeigt. Hat er das, wird er fast von allein zum aufmerksamen Begleiter; zum geduldigsten Kinderwächter, zum Freund aller freundlichen Menschen. Hat er das nicht, stellt er sich selbstbewusst und dominant irgendwann seine "Verhältnisse" und Lebensregeln selber her und lässt sich dann auf Dauer da nicht mehr reinreden.

Nein, Landseer sind keine einfachen Hunde, keine Hunde für jedermann. Aber wer sich mit Geduld, Zuwendung und Konsequenz auf ihn einlässt, der hat bald einen Freund wie er ihn sich zuverlässiger, anhänglicher, intelligenter gar nicht erträumen könnte. Ein Landseer ist ein großer, selbstbewusster Hund, aber immer aufmerksam, immer lernbereit. Wer mit seinem Landseer zufrieden leben will, der muss sich Zeit nehmen und seinen Hund überzeugen. Aber er darf dabei eins nicht vergessen: Ein Landseer, der mit sich und seiner Welt zufrieden ist, der "besetzt" nicht nur sein Revier. (und das Nachbargrundstück noch gleich mit). Er besetzt auch "seinen Lieblingsmenschen". Und diesen einen beobachtet er, ruhig und auf Distanz, und registriert jede Stimmung, jedes Wort, aber auch jedes Zeichen von Schwäche. Ein Landseer-Mensch muss also auch lernen. Er muss lernen, die Führungsrolle, die ihm sein Hund zugesteht, zuverlässig und gelassen und täglich neu einzunehmen. Schafft er das, dann wird aus der Beziehung Mensch-Landseer mit der Zeit von ganz allein eine absolute Liebesgeschichte.

Landseer-Rüden sollen eine Schulterhöhe zwischen 72 und 80 cm haben, Hündinnen zwischen 67 und 72 cm. Und das Gewicht der größten Rüden kann durchaus 75 bis 80 kg betragen. Die Landseer gehören also zu den "absoluten Hunde-Riesen. Sie können 10, 12, ja 14 Jahre alt werden. Was diese Riesen allerdings brauchen, um alt und weise werden zu können, das ist: Geduld, Geduld, Geduld. Landseer sind wie alle großen Lagerhunde ausgesprochene "Spätentwickler". Sie sind körperlich erst mit 2 Jahren voll belastbar, geistig erst mit 3 bis 4 Jahren.

Schwimmen ist natürlich ein wunderbares Ganzkörpertraining für so große, so temperamentvolle Hunde. Aber seine sprichwörtliche Wasserfreudigkeit" muss auch ein Landseer erst einmal lernen, und er lernt sie nur, wenn ihm das Baden Freude macht. Spezielle "Schwimmhäute" zwischen den Zehen, wie immer behauptet wird, haben Landseer allerdings nicht. Sie haben wie alle Hunde mehr oder weniger ausgeprägte "Zwischenzehenhäute", die ihnen das schnelle Laufen auf hartem Untergrund ermöglichen und die - mehr oder weniger stark ausgeprägt - auch jeder Windhund hat, der noch nie Wasser sah.